home / mannschaften / saison14-15 / gsk1 /
von Guntram Hainke
Alle glücklich gewonnenen Mannschaftskämpfe sind einander ähnlich, jeder unglücklich verlorene Mannschaftskampf ist auf seine eigene Weise unglücklich.
Drunter und drüber ging es beim DJK Aachen, als die erste Mannschaft des Godesberger SK zu Gast war und gegen die internationale Truppe, bestehend aus drei Deutschen, zwei Holländern, einem Polen, einem Serben und einem Italiener, Mannschaftspunkt-Spenden gegen den Abstieg einwerben wollte. Besonders großzügig hatten sich die Aachener, die verlustpunktfrei die Tabelle anführten, in dieser Hinsicht bislang noch nicht gezeigt, und auch an diesem Tag würden sie nicht ihr Herz öffnen für unverschuldet in Abstiegsnot geratene Traditionsmannschaften.
Das Spielgeschehen entwickelte sich aus Godesberger Sicht so, als ob man den Disney-Film "Die Wüste lebt" rückwärts gucken würde: Stellungen voller Leben und guter Gewinnchancen vertrockneten allmählich, bis nur noch der Schirokko über die Bretter wehte.
Martin Upleger erzielte als Erster ein schnelles Remis mit Schwarz gegen den Anti-Grünfeldinder seines Gegners. In der Schluss-Stellung waren zwar erst zwei Leichtfigurenpaare und ein Bauernpaar getauscht worden, doch beide Parteien hatten sich ausschließlich darauf konzentriert, aktives Spiel der Gegenseite zu verhindern, so dass das Unentschieden auch zu diesem Zeitpunkt gerechtfertigt war.
Dass Erald Dervishi eine Partie recht klar verliert, ist in etwa so wahrscheinlich wie dass in New York elf Tage hintereinander kein Mord begangen wird. Mitte Februar trat dieses Ereignis nun in New York ein (zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen), und auch Erald Dervishi musste sich an diesem Tag nach nur 31 Zügen unmittelbar vor dem Matt geschlagen geben. In der Tartakower-Variante im abgelehnten Damengambit ließ er zu, dass Weiß unter günstigen Umständen das Spiel mit e4 öffnete, wonach er sich des druckvollen Spiels seines Gegners nicht erwehren konnte.
Die übrigen Partien schienen zu diesem Zeitpunkt an den verbleibenden vorderen drei Brettern remislich, während die verbleibenden hinteren drei Bretter gut bis sehr gut standen. Bei knapper werdender Bedenkzeit gab es aber leider die folgenden circensischen Attraktionen zu bestaunen.
Brett 8 Braga,F (2416) - Brandt,S (2100) Stellung nach 31. Dh6
Schwarz hat seinen 300 Elo-Punkte schwereren Gegner nach allen Regeln der Feldherrenkunst überspielt. Noch droht Schwarz nicht 31...Lf2:, da Weiß nach 32.Tf2: Df2: 33.Te5: die Doppeldrohung Te8+ und Te7 mit Matt hat. Daher zunächst also 31...Ta8-/+. Nun würde Weiß nach 32.Kg1 oder 32.f3 beginnend mit 32...Tf8 und 33...f4 auf den schwarzen Feldern überspielt. Also ein letzter Trick: 32.f4!? Le3? Mit dem ruhigen 32...Te6 würde Schwarz die Vorteile seiner Stellung behalten. 33.d4!= Da5?! Es sieht so aus, als ob Schwarz nach der forcierten Zugfolge 33...Ld2: 34.dc5: Le1: 35. fe5: Te6 36. De3 La5 Vorteil hat, aber der Computer findet 37.Ld5! mit Ausgleich. 34.de5:! Ld2:? Nötig war 34...Tf7 35.e6 Tg7 mit haltbarer Stellung. 35.ef6: Dc7 36.Te7 1-0
Brett 7 Andersen,H (2223) - Braun,C (2409) Stellung nach 31...De7
Weiß hat in einem Königsinder den thematischen Vorstoß ..f5 mit h3, g4 verhindert, dann etwaiges Gegenspiel mit ..a6 und ..b5 durch a4 und Ta3 verhindert und schließlich den Königsflügel zu seinen Bedingungen geöffnet. Die Vorzüge der weißen Stellung gegenüber der schwarzen haben nun etwa das gleiche Verhältnis wie die Höhe des Kölner Doms zu der Höhe des Aachener Doms. Mit 32.f6! Lf6: 33.Sf4 hätte Weiß nun den Druck gegen h7 entscheidend verstärken und die letzte Figur in den Angriff bringen können, wonach die schwarze Aufgabe die Aufgabe wäre. Allerdings zeigte hier die Uhr eine Restbedenkzeit von ca. 1:30 (Stunden) für Schwarz und 1:30 (Minuten) für Weiß an.
32.Tah3?! Nun ist der f-Bauer gefesselt, und Schwarz kann einen auf f4 erscheinenden Springer abtauschen. 32...Tgg7 33.Sf4 Lxf4 34.Lxf4 Lxa4!? Sieht interessant aus, aber nach dem kühlen Kopf bewahrenden 35.b3 Ld7 36.Ld2 steht Weiß weiterhin völlig auf Gewinn. 36...Tg4 37.Lc3+?! Erst Lf3 und dann Lc3(+) oder f6 wäre einfacher gewesen. 37...Kg8 38.Ld3?! Dg5 39.Dh2?! Lxf5 40.Th5?! Nach mehreren ungenauen Zügen von Weiß hat nun Schwarz genügend Gegenspiel zum Remis. 40...De3 41.Lxf5 Txf5 42.Txf5 Dd3+ 43.Kc1 Dxc3+ 44.Dc2 Da1+ 45.Db1 Dc3+ 46.Dc2 Da1+ ½-½.
In der Partie an Brett 1 stand eine theoretische Diskussion im klassischen Slawen an, in der der Spieler Robert Hübner den Zug 12.e5 wählte, den der Theoretiker Robert Hübner anlässlich der Partie Gabriel-Akopian (1996) noch wie folgt kommentiert hatte: "Die sofortige Aufgabe des Feldes d5 bietet meines Erachtens keine Aussichten auf Vorteil; nur nach 12.Lf4 kann Weiß auf einige Initiative hoffen." Diese Einschätzung bewahrheitete sich auch in diesem Fall, wo sogar Schwarz zwischenzeitlich um Vorteil kämpfte, bis die Partie schließlich Remis endete.
Aleksandar Dranov wählte in der Najdorf-Variante mit 6.Le2 ein ruhiges Abspiel, welches nach Liquidierung des Zentrums zu einem Endspiel führte, in dem er mit einer leichten Initiative das gegnerische Läuferpaar bekämpfte. Nach kleineren Ungenauigkeiten von beiden Seiten mündete die Partie aber in ein gerechtes Dauerschach.
"Du siehst hübscher aus, wenn du keine Brille trägst." "Du siehst auch hübscher aus, wenn ich keine Brille trage." Solcherart waren die Komplimente, die Guntram Hainke mit seinem Gegner im Königsinder austauschte. Nach perspektivloser Eröffnungsbehandlung von Schwarz begann Weiß die Höflichkeiten mit 24.Lc2?, 25.Df2?, wonach Schwarz sich mit 27...hg4:?, 30...Dg7? revanchierte und Weiß mit einer Figur für zwei Bauern völlig auf Gewinn stand. Allerdings verpasste er, vor 36.Lg5: mit 36.Te8: Te8: ein Turmpaar zu tauschen, wonach Schwarz mit dem Zwischenzug 36...Dh2+ plötzlich mit dem gleichen Motiv wie in Andersen-Braun das Remis erzwingen konnte.
Heiko Mertens gelang es erneut, mit Schwarz gegen einen Großmeister aus der Eröffnung heraus das bessere Spiel zu erhalten. Im frühen Mittelspiel opferte er dann Springer und Läufer gegen Turm und zwei Bauern, zeigte sich hinterher darüber aber so unzufrieden wie jemand, der seinen Job bei der Arbeitsagentur hinschmeißt, nur um festzustellen, dass er am nächsten Tag wieder zur Arbeitsagentur muss. Nach einer verpassten Möglichkeit, ein remisliches Endspiel herbeizuführen (38... b4! 39. ab4: ab4: 40. Lb4: Tb7 41. Lc3 Te1: 42. Le1: Tb2:) musste er schließlich aufgeben.
So lautete der Endstand also 5½ : 2½ für die Gastgeber. Hmpf. Von der Stirne heiß rinnen muss der Schweiß, soll die erste Mannschaft nun noch den Klassenerhalt mit zwei guten Leistungen gegen Wiesbaden und den Bochumer SV erreichen.
Bericht von Guntram Hainke
Godesberger SK 1929 e.V. |
Internet: http://www.godesbergersk.de E-Mail: |
Copyright © 1999-2020 by |
zuletzt geändert am 10. März 2015 |