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von Guntram Hainke
Bad Godesberg-Mehlem, 7. Dezember 2014, vierte Runde der 2. Bundesliga West. Im Match der ersten Mannschaft gegen den Aachener SV sind bereits 5:45 Stunden gespielt, und noch immer laufen zwei Partien, Dervishi-Lazarev und Klein-Hainke. Die Gastgeber haben bereits wie in den Spielen zuvor die ominösen 3½ Brettpunkte erreicht, jetzt geht es darum, in den verbleibenden Partien doch einfach nur zwei halbe Punkte zu erreichen, um den ersten Mannschaftssieg sicherzustellen.
Die Stellungen auf beiden Brettern sind recht ähnlich: komplexe Endspiele mit Materialvorteil für die Godesberger, aber gegnerischem Gegenspiel aufgrund unsicherer Königsstellung. Alle drei Ergebnisse scheinen noch möglich, denn die Spieler sind sitzend K.O. aufgrund der vorangegangenen komplizierten Partien. Die vielen gekommenen Zuschauer erinnern sich an die vierte Runde der French Open 1989, in der der vor Erschöpfung von Krämpfen geschüttelte Michael Chang mit Mondbällen und Trickaufschlägen Ivan Lendl nach 4:43 Stunden Spielzeit besiegen konnte.
Mannschaftsführer Bodo Schmidt verlässt das Spiellokal, er kann es nicht mehr mitangucken. Auch die Schiedsrichterin vertieft sich lieber in ihre mitgebrachte Lektüre. Wer wird gewinnen?
Rückblende. Die 3½:4½-Pleiten der ersten Mannschaft begannen in der siebten Runde der letzten Saison mit der unglücklichen Auswärtsniederlage gegen den Aachener SV. In den fünf Runden danach gab es viermal das gleiche Resultat zu beklagen. Nun sollte gegen den gleichen Gegner die Serie doch bitteschön reißen, wozu mit Robert Hübner, Erald Dervishi und Igor Rausis die nötigen Fachleute bereitstanden. Wie für Gegner des Godesberger SK gute Sitte, reiste Aachen mit der stärksten Besetzung der laufenden Saison an.
Früh waren die Partien von Robert Hübner und Bodo Schmidt unentschieden ausgegangen, da die Kontrahenten im angenommen Damengambit bzw. in der Abtauschvariante des Damengambits keine Fortschritte erzielen konnten. Sollten die Partien auf dem nächsten internationalen Kongress der Eröffnungswissenschaft besprochen werden, so wahrscheinlich in der Sektion "Ich hab's euch doch schon immer gesagt, Schach ist eben remis".
Auch Alexander Armbruster erzielte ein schnelles Remis. In Besinnung auf den Weihnachtsfrieden 1914, bei dem deutsche und britische Soldaten aus ihren Schützengräben kamen und sich gegenseitig beschenkten, gab es auch in dieser Partie zunächst ein Einigeln auf beiden Seiten, so dass nach 8 Zügen die vierte und fünfte Reihe vollkommen frei waren. Nach und nach kamen die Figuren aber ins Zentrum und tauschten sich friedlich ab.
Alexandar Dranov und Thomas Jackelen kamen gut aus der Eröffnung heraus und konnten ihren Gegner sogar jeweils einen Bauern abluchsen. Alexandar Dranov hatte sich gegen die Philidor-Verteidigung seines Gegners harmonisch aufgebaut und ergriff die Gelegenheit, nach dem Zug 16...f5, der auch von Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews hätte stammen können, den Doppelbauern seines Gegners auf der c-Linie zu halbieren.
Brett 3 Dranov,A (2441) - Vandenbussche,T (2418) Stellung nach 26...Tff8
Leider übersah er hier den Kniff 27.Sf6!, mit dem er die Partie in ein technisch gewonnenes Endspiel hätte überführen können, und öffnete mit 27.h4?! zu sehr seine Königsstellung. In aufkommender Zeitnot forcierte er daraufhin ein Dauerschach.
Dass die Weißspieler im Tschebanenko-Slawen für gewöhnlich 8.Ld2 und nicht 8.Lg3 spielen, muss wohl einen Grund haben, dachte sich Thomas Jackelen, und erreichte aus der Eröffnung heraus eine angenehme Stellung. Inspiriert von der sechsten Partie des WM-Kampfes Carlsen-Anand gab es in dieser Partie dann aber auch ein gegenseitiges Übersehen, so dass ein weiteres Remis die Folge war zum 2,5:2,5-Zwischenstand vor der Zeitkontrolle.
Die kritische Stellung in der Partie von Igor Rausis kam bereits nach dem zweiten Zug aufs Brett. Nach 1.d4 d5 2.c4 c6 befürchtete er, dass sein Gegner mit 3.cd5:(!) das Partie-EEG verflachen würde. Doch nach 3.Sc3 dc4:!? war der Weiße schon aus dem Buch, und nach den selten gespielten Zügen 4.a4 e5 5.de5: hatte Schwarz bereits das freiere Spiel. Im anschließenden komplizierten damenlosen Mittelspiel behielt er die bessere Übersicht und konnte einen überzeugenden Sieg einfahren.
Zurück zu den beiden verbleibenden Partien:
Brett 2 Dervishi,E (2570) - Lazarev,V (2387) Stellung nach 39...De4
Im Paulsen-Sizilianer hat Schwarz eine Qualität für positionelle Kompensation gegeben. Das entstandene Endspiel bietet nur minimale Gewinnchancen für Weiß aufgrund der Schwäche des Bauern e5 und der aktiven schwarzen Figuren. Selbst nach deren Abtausch wäre z.B. das Endspiel Turm und g+h-Bauer gegen Läufer und g+h-Bauer remis. 40.Tb8+?! Kg7 41.Tb1 h4! Nun greift Schwarz mit allen Einheiten an. Während die Stellung immer noch ausgeglichen ist, spielt es sich doch für Schwarz einfacher. 42.De1 Dd4 43.La6 h3 44.Lb7 Sf4 45.Dg3 Sd3 46.gh3:? Hier wäre 46.Tf1 nötig gewesen, und nach 46...Sf2+ 47.Tf2: Df2: wäre das Unentschieden perfekt. 46...Sf2+ 47.Kg2 Dd2 48.Kf1 Sd1 49.Tb3? Hier hätte 49.Txd1 bessere Rettungschancen versprochen. 49...Lf2 50.Dg4 De1+ 51.Kg2 Se3+? Hier hätte z.B. 51...La7 mit der Drohung ..Df2+, Df1+ gewonnen: 52.Df4 De2+! 53.Kg3 (53.Kh1 Sf2+) 53...Lf2+ 54.Kg2 Se3+-+ 52.Txe3= Lxe3 53.h4 Df2+ 54.Kh3 Lf4 55.Dg2 Umschifft die letzte Klippe: 55.Lg2? Lxe5 56.Df3 Dg1-+ 55...De3+ 56.Lf3 Dxe5 57.De2 Dxe2 58.Lxe2 f5 59.Kg2 Kf6 ½-½
Brett 7 Klein,V (2301) - Hainke,G,Dr. (2319) Stellung nach 26...Tff8
In einem Theorieduell im Winawer-Franzosen konnte Weiß nachweisen, dass die schwarze Rochadestellung in dieser Variante auf einem alten Indianerfriedhof gebaut ist, und hätte hier mit 28.Tf7: Tf7: 29.h6! gewinnen können. Nach Weiß diese Chance ausgelassen und eine weitere klare Remisfortsetzung verschmäht hatte, konnte sich Schwarz langsam konsolidieren.
Stellung nach 52...Kg7
In der Diagrammstellung hat Weiß bereits zweimal mit Sh5+/Sg3 die Züge wiederholt, spielt nun aber im Mannschaftssinne weiter.
53.b6 Ld5 54.Se2 h5 55.b7 Um eine weitere Verstärkung der schwarzen Stellung zu verhindern, tauscht Weiß seinen b-Bauern gegen den schwarzen d-Bauern. 55...Lxb7 56.Sxd4 Dg4 57.Le3 Ld5 58.Sxf3 Lxf3 Die bei knapper Bedenkzeit besonders gefährlichen Springer sind getauscht, nun kann Schwarz aufatmen. 59.De1? Auch nach 59.Dg1 ist das nach dem Damentausch entstehende Endspiel für Weiß verloren: Der schwarze h-Bauer bindet den weißen Läufer, und der schwarze Läufer in Verbindung mit dem Bauern c3 bindet nach 59...Le4 den weißen König an den Bauern c2. So kann Schwarz seinen König aktivieren und in Ruhe gewinnen. 59...Db4 Nun droht Schwarz plötzlich Matt. 60.Lh6+ Kh7 0-1
Große Erleichterung danach bei der Heimmannschaft und den Zuschauern, die dennoch schimpften, dass man sie so auf die Folter gespannt habe. Das soll nicht wieder vorkommen und ist als guter Vorsatz für das neue Jahr notiert. Die erste Gelegenheit dies umzusetzen ist in der nächsten Runde am 18. Januar beim Auswärtsspiel gegen Solingen 2, wo wieder gepunktet werden darf.
Bericht von Guntram Hainke
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zuletzt geändert am 2. Januar 2015 |