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Liebe Schachfreunde,
auch am zweiten Spieltag hatten wir mit dem Absteiger SF Lohmar einen der stärksten Gegner, die unsere Liga diese Saison zu bieten hat. An vier Brettern waren wir mehr als 100 Punkte outrated und auch an den restlichen vier Brettern waren unsere Gäste DWZ-Favoriten.
Trotzdem entwickelte sich schnell ein ausgeglichener Kampf.
Am fünften Brett hatte Jan Kopp in seinem obligatorischen Benoni alles fest im Griff. Ein Brett weiter unten war Gerd Schniggenberg kurzfristig für unseren anderen Gerd eingesprungen und an den beiden untersten Brettern versuchten Damir Zupcevic und Christof Kögler in einer Katalanischen Eröffnung und einem Reti-System das Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu stören.
An Brett vier verteidigte sich Edgar Schmitzs Gegenüber Skandinavisch. Oleg Leontiev hingegen hatte am dritten Brett Französisch ausgepackt. Sebastian Brandts Gegner an Brett zwei hatte die Frechheit gehabt von seiner üblichen Caro-Kann-Variante abzuweichen aber auch im Lf5-Caro-Kann erhielt Weiß wohl einen angenehmen Vorteil mit dem Läuferpaar und dem verdoppelten g-Bauern von Schwarz. Am ersten Brett bemühten sich mein Gegner und ich (Philipp Bongartz) unserem Gedächtnis die entscheidende Variante des letztjährigen WM-Kampfes zwischen Kramnik und Anand abzuringen und erreichten auch nach unabsichtlichen Zugumstellungen eine messerscharfe Meraner Stellung.
Nach relativ wenig Aufregung brachten uns Gerd und Damir jeweils einen halben Punkt näher an unsere(n) ersten Mannschaftspunkt(e). Bei Christof herrschte wie üblich das reinste Chaos auf dem Brett, aber uncharakteristischer Weise nahm er diesmal nicht den Umweg über eine schlechte Stellung um seinen Gegner unter Druck zu setzen. Jan hatte sich einen gewissen Vorteil erarbeitet und wartete nur auf den richtigen Augenblick mit einem Opferreigen den weißen König zu plätten.
Edgar hatte besser gerechnet und ging in die Zeitnotphase mit einem Mehrbauern und Angriffsoptionen. Bei Oleg sah es ähnlich aus. Nachdem er in der Eröffnung mehr oder weniger kompensationslos einen Bauern verloren hatte, begannen nun seine Figuren in die gegnerische Stellung einzufallen und auch wenn noch kein konkreter taktischer Schlag in Sicht war, musste der weiße König an seinem luftigen Plätzchen doch langsam kalte Füße bekommen. Sebastians Gegner hatte den Damenflügel abgeschlossen und bei dem munteren Hinundhergeschiebe konnte man zumindest nicht in Zeitnot kommen. Ich hingegen hatte erst eine Qualität geopfert und dann durch einen Rechenfehler noch zwei Bauern hinterher geworfen. Aber es blieb für beide Seiten gefährlich und während die Zeit langsam knapp wurde, gelang es mir die Qualität zurück zu gewinnen und einen gefährlichen Freibauern auf der d-Linie laufen zu lassen.
Schließlich näherte sich unser Mannschaftskampf seiner dramatischen Schlussphase. Jan opferte ehrgeizig Material, fand dann aber wohl die präziseste Fortsetzung nicht und musste schließlich die Waffen strecken. Am ersten Brett verpasste ich in Zeitnot den Augenblick in dem mein Gegner den Gewinn aus der Hand gab. Statt mit einem beherzten (und von mir auch geplanten) Freibauernzug das gegnerische Dauerschach zu erzwingen, sah ich unglücklicherweise eine Verteidigung mit der ich ganz sicher nicht matt werde, hatte dabei aber aus den Augen verloren, dass meine Stellung den resultierenden Damentausch nicht verkraften konnte.
Da beinahe gleichzeitig Oleg seine Invasion der feindlichen Bastion vollendete und sein Gegner einsah, dass er dem Matt auch mit keinem der zahlreichen Springerabzugsschachs entgehen würde und Christof seinem Kontrahenten die Dame abluchste, sah es aber dennoch plötzlich sehr gut für uns aus. Es stand 3-3, Edgars Partie war ein sicherer Punkt und bei Sebastian begab sich die schwarze Dame auf riskante Abwege um doch noch eine kleine Sieg- und damit Mannschaftsremischance zu wahren.
Da traf uns mal wieder aus heiterem Himmel einer jener Schicksalsschläge die uns schon letzte Saison den Aufstieg verhagelten und gegen die unsere Konkurrenten seltsamerweise vollkommen immun zu sein scheinen.
Mit mehr Zeit, Bauer und Angriff stellte Edgar einzügig die Dame ein! Nun, die Freude war groß beim SF Lohmar I. Gerade Edgar ist natürlich der Spieler, der einem bei der Frage »Und wer stellt heute von uns wohl die Dame ein?« als letztes einfallen würde. Aber wenn das Blättchen sich hebt, man auf Gewinn steht und der Mannschaftssieg von einem abhängt, dann ziehen halt die Figuren plötzlich seltsam, keiner kennt das besser als ich.
Damit hatte sich an Brett zwei der Wind gedreht. Die schwarze Dame wünschte sich, sie wäre nicht so weit in den weißen Damenflügel vorgedrungen, sondern könnte dem Remis gemütlich hinter der eigenen Bauernkette entgegen sehen. Sebastian hingegen stellte seinen Siegeswillen unter Beweis indem er erstmal den wichtigen c-Bauern einstellte.
Doch jetzt wurde es zum ersten Mal in dieser Partie taktisch und im Bestreben nach Figurentausch schmiss Schwarz den neu erworbenen Vorteil und ein bisschen mehr gleich wieder über Bord.
Sebastian aber sah den Übergang ins bessere Endspiel nicht, sondern schickte seinen d-Bauern, dem c-Bauern hinterher, über den Jordan. Nun sah es wirklich düster aus für den Weißen. Eine Mattfalle mit passivem Läuferopfer schnappte nicht zu. Umsichtig beseitigte Schwarz durch den Tausch eines Turmpaares die letzte Mattgefahr. Schließlich hielt er den Zeitpunkt für gekommen, den Läufer doch noch abzuholen. Der vollkommene Kollaps der weißen Stellung stand kurz bevor. »Ich muss gewinnen, oder?« Großes Gelächter. »Na dann halt Remis.«
Turmopfer auf h8 und die einsame weiße Dame schaukelte den schwarzen König trotz Bauer, Bauer, Figur und Turm weniger zum Remis durch Dauerschach. Es blieb ein fassungsloser Gegner und ein verständnisloser Mannschaftsführer (»Remis? Wie kann denn das Remis sein?«), aber wie schon in der ersten Runde leider auch eine knappe und sicher vermeidbare Niederlage gegen einen unmittelbaren Aufstiegskonkurrenten.
Ein Bericht von
Philipp Bongartz
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zuletzt geändert am 03. November 2009 |