Nein! Sie sind nicht in einem Kinofilm einer deutschen Komödie mit Otto Waalkes. Sondern Sie werden eine wahrhaft ernste Schnellschachpartie erleben.

Es waren nicht nur sieben; gegen gar 2x zehn Schachspieler spielte GM Rustam Kasimdzhanov simultan am Samstag (21.10.06) im Haus der Geschichte. Ein guter Anlass in dieser Museumsnacht, den für uns in der Bundesliga spielenden Großmeister vorzustellen und dabei gleich selbst die Werbetrommel für unseren Verein zu rühren.

Überraschend viele Gäste besuchten diese gut organisierte Veranstaltung. Nicht nur bei den zahlreich erschienenen GSK-Mitgliedern (mit Frau oder Familie), sondern auch bei den "gewöhnlichen" Museumsbesuchern fand das Programm mit Jazz-Musik, einem Großschachfeld und den Simultanpartien große Resonanz. Von Jung bis Alt waren alle Generationen vertreten. Es gab zu Essen und zu Trinken und nebenher konnte man im Buchladen schmökern oder Schachliteratur erwerben.

Tja, wann hat man denn schon einmal die Möglichkeit, einem Großmeister zuzusehen oder sogar selbst gegen ihn anzutreten? Also auf zu einer Abenteuerpartie in der ersten Runde: GM Rustam Kasimdzhanov (DWZ 2661) gegen meine Person (DWZ 1770). Bitte urteilen Sie selbst!

1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Lb4 4. e5 Se7 5. a3 Lc3: 6. bc3: c5 7. Sf3 Da5 8. Ld2 Sbc6 9. a4 Ld7 10. Le2 f6 11. c4 Dc7 12. cd5: Sd5:
13. c4 Sde7 14. ef6: gf6: 15. dc5: (Ein gewöhnliches Bauernopfer)
0-0-0 16. Lc3 (Bis hierhin alles Theorie, nun weiche ich von der Hauptvariante ab, die mit 16… e5 17. Dd6 Sf5 18. Dc7: Kc7: 19. 0-0 weiterginge.) … Le8 17. Dc1 e5 18. 0-0 (Von Anfang an habe ich mich bei dieser Eröffnung für ein actionreiches Spiel bei entgegen-gesetzten Rochaden entschieden. Eigentlich spiele ich andere solidere Varianten, aber man muss bei einem Simultan-Turnier mal auch andere Seiten aufziehen, um den Gegenüber zum Nachdenken zu verleiten. Bis jetzt raste nämlich der Wirbelsturm, sprich GM, von Brett zu Brett im Blitztempo. Also hatte man gerade einmal eine Minute zum Nachdenken.) 18… Lg6 19. Sh4 Kb8 20. Lf3 Ld3 (Besser ist für Schwarz 20… Sd4 21. Ld4: Td4: 22. Sg6: hg6: mit Ausgleich.) 21. Te1 Sg6 22. Dh6 Ka8 (Mein König versteckt sich.)
23. g3 Dc8 (Na, nur ein Schritt mit der Dame? Kurze Überlegung von Kasimdzhanov und prompte Antwort in 15 Sekunden mit seiner Umgruppierung des Randspringers.) 24. Sg2 Jetzt erst darf ich mit meinem Läufer seinen Zwerg [Bauer] schlagen, also: 24… Lc4: 25. Se3 Le6 26. Ted1 Tdf8 (Hier hätte ich doch mal wieder besser den Springer nach d4 ziehen sollen. Im Moment waren bereits einige Partien beendet. War der Ausverkauf etwa schon im Gange?) 27. Td6 Tf7 28. Tb1 Tc7 29. a5 Hilfe! Der Bauer kommt, also schnell vorwärts mit meinem Zwerg 29… a6 30. Tb6 Allgemeines dichtes Gedränge um die letzten Bretter. 30… Ka7 31. Lc6: bc6: 32. Sc2 Das Pferd des Räubers will schon wieder woanders hin? Nach b4! 32… Lc4 33. Tf6: Td8 34. Td6 Tf8 35. Se3 Lb5 (Hmm… so schnell bin ich doch nicht Matt zu setzen. Eine Ehre für mich, dass auch ein Kasimdzhanov statt 5 Sekunden Bedenkzeit auch einmal 30 Sekunden braucht und an meinem Brett verweilt. Währenddessen werden die Atemgeräusche der Kiebitze hinter meinem Rücken immer lauter.)
36. Dh5 De8 (Nur noch mein linker Nachbar und ich spielten noch.) 37. Dd1 Df7 38. Le1 Dg8? (Was soll ich ziehen? Df3 verliert sofort wegen Td7! Vielleicht e4 um das Feld e5 für den Springer freizumachen.) 39. Td7! Tc8 (39… Tf7 40. Td8 Tf8 41. Dd6 Df7 42. Sf5 hilft im Endeffekt auch nicht mehr.) 40. Dd6 1:0

Lange habe ich durchgehalten. Nach einer Gesamtstunde Partiezeit gab ich im Endeffekt doch chancenlos als vorletzter der zehn Teilnehmer auf. Bis jetzt hatten alle verloren, nur mein Brett-Nachbar konnte ein ehrenwertes Remis mit dem Großmeister vereinbaren. Zwischendurch gab Michael Müller-Boge gerne der Presse Auskunft über diese oder jene Schachstellung und über das allgemeine Geschehen.

Danach wurde im benachbarten Kinosaal ein Schachfilm "Schwarz und Weiß wie Tage und Nächte" (v. 1978, Regie: Wolfgang Petersen) gezeigt, bis um 22.00 Uhr GM Kasimdzhanov die zweite Runde gegen weitere zehn Teilnehmer antrat. Als Fazit muss ich sagen, es war ein durchaus sehr gelungener Abend.

Erlebnisbericht von
Wolfgang Otto
Jugendtrainer GSK